G.E. Poyo: Cuban Catholics in the United States 1960–1980

Cover
Titel
Cuban Catholics in the United States 1960–1980. Exile and Integration


Autor(en)
Poyo, Gerald E.
Erschienen
Notre Dame (Indiana) 2007: University of Notre Dame Press
Anzahl Seiten
424 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Thomas Schulte-Umberg, Institut für Europäische Geschichte

Im öffentlichen Bewusstsein diesseits des Atlantiks werden in den USA lebende Katholiken kubanischer Herkunft allenfalls wahrgenommen, wenn es um ihr Wahlverhalten bei US-Präsidentschaftswahlen oder um ihre Rolle für das amerikanisch-kubanische Verhältnis geht. In Gerald E. Poyos gut lesbarem, auf einer Vielzahl diverser Quellen basierenden Buch ist nun mehr über in den USA lebende Katholiken kubanischer Herkunft – auch über das Jahr 1980 hinaus – zu erfahren. Für den europäischen Leser könnte indes der besondere Reiz des Buches darin liegen, dass das Buch in anschaulicher Weise in Themenbereiche der amerikanischen Migrationsforschung einführt. Wer sich für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von katholischer Kirche und Katholizismus in den USA interessiert, wird weiterhin um deren Prägung durch Migrationsvorgänge wissen. Wenn dabei von ‹Hispanics› oder ‹Latin-Americans› die Rede ist, wird meist an Katholiken mexikanischer Herkunft gedacht. Poyos Buch vermag beispielhaft zu zeigen, dass auch Gruppen anderer Herkunft eine beachtliche Rolle spielen und eine hispanische Identität entstehen mag.

Seit Beginn der 1960er Jahre sind etwa 155’000 Kubaner vor dem kommunistischen Regime Fidel Castros in die USA geflohen. Zwar sind nur etwa 5 bis 10% der Kubaner in den 1950ern als praktizierende Katholiken anzusehen, doch floh die Mehrzahl von ihnen. So wird die Aussage verständlich, der Katholizismus habe ausserhalb der Insel eine weitaus grössere Bedeutung gehabt als auf Kuba selbst. Die Mehrzahl der geflohenen Kubaner liess sich in Florida nieder. Die räumliche Nähe zur alten Heimat war ökonomisch begründet durch die Möglichkeiten im prosperierenden ‹Sunshine State›. Von hier aus liess sich weiterhin der bewaffnete Kampf gegen das Regime auf Kuba planen und organisieren. Denn baldige Rückkehr war das grosse Ziel der Flüchtlinge, die nur durch eine Beseitigung des Castro-Regimes zu erreichen sei. Bewusst entschied sich die Mehrzahl aller Geflohenen für eine Exilperspektive. Ihr massiver Antikommunismus verfestigte sich noch, als sich die vatikanische Haltung gegenüber kommunistisch beherrschten Ländern in pragmatischer Hinsicht veränderte. Unter einer Minderheit von jüngeren Katholiken entwickelte sich allerdings, basierend auf dem Appell des Zweiten Vatikanischen Konzils, die «Zeichen der Zeit» zu lesen, seit den 1970er Jahren zunehmend eine Bereitschaft zur Versöhnung und zum Wandel der Verhältnisse auf Kuba durch Dialog. Am massiven Anti-Kommunismus der Mehrheit sowie der Betonung der Exilidentität konnte dies lange Zeit nichts ändern, wie sich noch beim Kuba-Besuch Papst Johannes Pauls II. 1998 zeigte, als zwar zahlreiche der geflohenen Katholiken die Insel besuchten, eine Vielzahl dies aber heftig ablehnte.

Alle Versuche einer gewaltsamen Beseitigung des Castro-Regimes sind bekanntlich gescheitert. Trotz aller Betonung des Exilstatus war daher ein Weg der Integration in die amerikanische Gesellschaft vorgezeichnet. Hier spielte zunächst eine grosse Rolle, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge relativ gut ausgebildet und von weisser Hautfarbe war. Ihnen schlugen daher keine oder wenig rassistische Vorurteile entgegen, und die Mehrzahl wurde bald in ökonomischer Hinsicht relativ wohlhabend. Anders sollte dies bei der Flüchtlingswelle um 1980 sein, die im wesentlichen aus der Unterschicht angehörigen Mulatten und Schwarzen bestand. Die amerikanische katholische Kirche und speziell die Diözese von Miami, in deren Bereich die meisten geflohenen kubanischen Katholiken wohnten, stand dem Bestreben nach Beibehaltung einer starken kubanischen Identität nach 1960 eher ablehnend gegenüber, eine Folge des Wegs der Kirche in die Mitte Amerikas. Wirtschaftliche Unabhängigkeit, das Siedeln in ethnischen Kommunitäten mit eigenen Pfarreien, die spanische Sprache und das ausgeprägte Identitätsbewusstsein bildeten jedoch ein starkes Gegengewicht gegen assimilative Tendenzen. Hier kam zudem begünstigend die Hochschätzung von kulturellem Pluralismus seit den 1960er Jahren hinzu, die die Beibehaltung ethnischer Identitäten als ein allgemeines Kennzeichen amerikanischer Identität hochhielt. Die Akkomodation der Jüngeren, d. h. der Kinder der Flüchtlinge, stellte als Schaffung neuer sozialer Realitäten demgegenüber eine die Bedeutung der Exilidentität relativierende Perspektive dar. Durch das erfolgreiche Mühen um den Spracherhalt, vor allem aber durch den Einsatz für religiöse Freiheit in Kuba und die Rechte kubanischer Flüchtlinge in den USA um 1980 gelang es jedoch, gleichermassen die Zugehörigkeit zur amerikanischen Freiheitstradition zu erweisen wie eine eigene kubanische Identität zu bewahren.

Kubanische Katholiken flohen vor allem in die USA, daneben in mittel- und südamerikanische Staaten, wo sie ebenfalls in insularen Gemeinschaften lebten. Unter den Gemeinschaften insgesamt entstand ein reger Austausch und Zusammenhalt mit Miami als Zentrum der Aktivitäten. Austausch und Zusammenhalt beschränkten sich nicht auf den Binnenraum der kubanischen Diaspora. Zwar gelang es nicht, lateinamerikanische Eliten sonderlich für ein Engagement gegen das Castro-Regime zu gewinnen. Doch wurden auf kirchlicher wie weltlicher Ebene dauerhafte Kontakte und teilweise institutionalisierte Beziehungen mit Lateinamerikanern geschaffen. Diese Vielfalt förderte wiederum eine Heterogenisierung der kubanischen Diaspora, vor allem die jüngeren fanden hier Anregungen für eine lateinamerikanisch-kubanische Identität. Innerhalb der USA gab es von Anbeginn eine Verbundenheit und kooperative Beziehungen mit Katholiken mexikanischer und puerto-ricanischer Herkunft. Verbindend war hier die Behauptung einer eigenen Identität und Tradition im kirchlich-religiösen Raum. Genese und Entwicklung eines dezidiert hispanischen Katholizismus in den USA wurden von Seite der kubanischen Katholiken besonders in theologischer Hinsicht geformt. Volksreligiosität (lo popular), gender (mujerista), soziale Verhältnisse und die Frage nach einer theologischen Fundierung für den hispanischen Katholizismus standen im Zentrum. Der Theologe Roberto Goizueta beschrieb es Ende der 1980er als zentrale Herausforderung, «to embrace the responsibility of bringing the historical praxis of U.S. Hispanic communities into critical relationship with the dominant culture and its institutions, thereby helping to forge a truly liberative pluralism.» (283) Zwar unter anderen Umständen standen die Migranten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vor eben der gleichen Aufgabe. Daher ist Poyos schönes Buch auch als Teil einer fortdauernden Geschichte zu lesen.

Zitierweise:
Thomas Schulte-Umberg: Rezension zu: Gerald E. Poyo, Cuban Catholics in the United States 1960–1980. Exile and Integration, Notre Dame (Indiana), University of Notre Dame Press, 2007. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 103, 2009, S. 366-367.

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